Das altbekannte Kribbeln

 

Zwar etwas aus der Übung, aber so ganz verlernt haben wir das Reisen noch nicht. Die Vorbereitungen klappen wie am Schnürchen. Außerdem stellt sich das wichtigste Indiz, nämlich das wohlbekannte Kribbeln, pünktlich zum Reisebeginn ein, auch wenn uns das Reisefieber nicht mehr so heftig schüttelt wie früher. Vielleicht fehlen uns dazu die Unbekümmertheit und Leichtigkeit sowie der Übermut vergangener Tage. Die letzten Jahre haben uns doch ziemlich gebeutelt und Spuren in unserer Seele hinterlassen. Auch Spuren der Demut, Dankbarkeit und Freude über das, was noch möglich ist.

 

Schon mit dem Reisemobil sind wir lange Strecken ungern gefahren. Mit dem PKW nerven die Verkehrsverhältnisse in Deutschland noch mehr. Daher haben wir unser Tageslimit auf cirka 300-400 km begrenzt. Erste Station ist Hannover. Das Messehotel liegt ruhig, mit ein bisschen Grün drumherum, das Zimmer ist groß und komfortabel. Hier hätte sich auch Kara wohlgefühlt. Als ich die Reise plante, war unsere Maus ja noch nicht im Hundehimmel und bestimmte daher maßgeblich die Auswahl der Unterkünfte. Im Hotel findet gerade ein Symposium einer großen Versicherung statt. Fasziniert beobachten wir am Abend im Irish Pub das Verhalten der Teilnehmer. Nur zu gut erinnern wir uns an eigene Erfahrungen: Der Stress im Gespräch mit dem Vorgesetzten, die Missgunst der Kollegen, das Lampenfieber vor dem eigenen Vortrag. „Mein Gott, bin ich froh, das hinter mir zu haben“, spricht mir Peter aus der Seele. Am nächsten Morgen kommen die Angestellten zunächst in lässiger Freizeitkleidung zum Frühstück, um sich erst danach umzuziehen. Jetzt sehen sie fast so aus, wie wir früher: Anzug mit Hemd, allerdings ohne Krawatte und mit weißen Sneakers. Die Sakkos sind heute so kurz, dass die Männer wie raus gewachsen wirken. „Überhaupt nicht stattlich, wie Du damals“, lächle ich Peter an.

 

 

 

 

Für Lübeck haben wir zwei Übernachtungen vorgesehen. Gar nicht so einfach, mit dem Auto zum Hotel zu kommen: Die Stadt ist vorzüglich für Radfahrer ausgestattet, für Fahrzeuge sind fast alle Durchfahrten gesperrt. Erst als wir uns trauen, ein Schild zu ignorieren, finden wir das Hotel KO15. Es liegt mitten im Zentrum an einem bezaubernden Platz und ist modern und voller kreativen Ideen. Peter macht sich Sorgen, ob wir einen sicheren Parkplatz in der Nähe finden. „Ich hab keine Lust alle Koffer und Taschen aus dem Auto räumen zu müssen!“, gibt er zu bedenken. Bei der Anmeldung an der Rezeption Entwarnung: Ich hatte die Parkmöglichkeit vorsorglich schon mitgebucht. Also alle Aufregung umsonst. Wegen Kara und ihrer Hüftprobleme hatte ich ein ebenerdiges Zimmer reserviert, was jetzt schade ist, denn das befindet sich in einem nicht ganz so attraktiven Nebengebäude.

 

 

 

 

 

Gleich nebenan liegt das riesige Heiligen-Geist-Hospital aus dem Jahr 1286, ehemaliges Hospital und Altenheim. Es ist eines der ältesten Sozialeinrichtungen Europas. Die wohlhabenden und frommen Lübecker Kaufleute finanzierten neben Kirchen und Klöstern eine Reihe wohltätiger Einrichtungen. Nach Modernisierung wird das Gebäude auch heute noch teilweise als Altenheim genutzt.

 

 

Es macht Spaß diese quirlige und geschichtsträchtige Stadt zu entdecken. Die als gesund propagierten 10.000 Schritte schaffen wir hier mühelos. Schlendert man durch die engen Gassen der von Wasser umgebenen historischen Altstadt, wähnt man sich nicht in einer 220.000 Einwohner zählenden Metropole.

 

 

 

 

Man sieht sogar Wäscheleinen, die entlang der Trave gespannt sind und von den Bewohnern der anliegenden Häuser genutzt werden. Mit dem vollen Wäschekorb überqueren sie die Straße, um ihre Bettwäsche aufzuhängen.

 

 

 

 

Die vielen Kirchen, die beeindruckende Backsteingotik, die unvergleichbare Silhouette der sieben Türme – es verwundert nicht, dass Lübeck zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde. 500 Jahre lang galt Lübeck als Königin der Hanse.

 

 

 

 

Nostalgisch anmutende Litfaßsäulen neben bunten Kunstinstallationen.

 

 

 

Besonderer Anziehungspunkt ist das Rathaus mit seinen verschiedenen Baustilen. Noch heute ist es Sitz der Verwaltung.

 

 

 

Im Laufe der Jahrhunderte musste die reiche Hansestadt durch immer stärkere Befestigungsanlagen geschützt werden. Von den vier Stadttoren sind heute nur noch zwei erhalten, das bekannteste ist das Holstentor, das beliebte Fotomotiv eines jeden Touristen.

 

 

 

 

Ein besonderer Clou für Touristen ist eine Stadtrundfahrt mit dem Splash-Bus, der zu Land und zu Wasser unterwegs ist.

 

 

 

Dank unseres Flexi-Tickets können wir eine frühere Fähre von Puttgarden nach Dänemark nehmen. Die Fahrt auf der dänischen Autobahn mit Geschwindigkeits- begrenzung und entspannten Autofahrern ist die reinste Erholung. Wenig gestresst kommen wir also in Malmö an. Auch hier wartet ein Parkplatz in der Tiefgarage auf uns, das Hotel befindet sich gerade um die Ecke. Der Altbau übt einen besonderen Reiz aus mit seiner Mischung aus Nostalgie und modernem, kreativem Interieur. Das inkludierte Abendbuffet ist lecker und frisch, die Salate sind eine Wucht. Zum Beispiel Artischocken mit viel Knoblauch, Schafskäse und frischen Spinatblättern. 

 

Am Abend gönnen wir uns ein bekannterweise sehr teures Bier in einer der vielen Lokale am Lilla Torg. Hier ist der Teufel los. Wir kennen Malmö recht gut von unserer Schwedenreise in 2015. Tagelang standen wir mit dem Reisemobil unterhalb der Öresundbrücke und erkundeten von dort die Stadt mit dem Fahrrad. Wir schwelgen jetzt also in Erinnerungen. Den heimeligen Platz in der Altstadt besichtigten wir damals allerdings tagsüber. Dieses quirlige Leben ist eine neue Erfahrung für uns. Begeistert lassen wir uns also in einer Bar nieder und beobachten die Leute. An den Tischen sitzen nur wenig Paare, meist klönen Männergruppen oder zwei Freundinnen miteinander.

 

 

Unser Navi ist wohl bemüht, uns die Natur nahe zu bringen, denn er führt uns am nächsten Tag über idyllische Nebenstraßen zu unserem Ziel, das Ferienhaus "Bergkullen" am See. Die letzten 6 km geht es über eine Schotterpiste auf und ab. Dass es hier so hügelig ist, hatten wir nicht erwartet. Ob wir da viel mit dem Fahrrad fahren werden? Dann endlich, das Domizil, einsam und traumhaft oberhalb des Lysjön-Sees.