Und so ging es weiter...


 

Sicher habt Ihr Euch gefragt, was aus mir geworden ist. Habe ich es bei den Menschen ausgehalten oder bin ich in die Bucht zu meinen Freunden zurückgekehrt? Nun, ich bin bei Pit und Pat geblieben und bin jetzt, nach einem Jahr, sehr froh darüber. Aber es war nicht immer leicht, und manches Mal wäre ich am liebsten auf und davon. Ein paar Mal bin ich dann auch ausgebüxt, ich brauchte einfach mal Abstand von diesen Lebewesen mit den merkwürdigen Angewohnheiten. Aber der Reihe nach.

 

In jenen Novembertagen des letzten Jahres änderte sich mein Leben schlagartig und grundlegend. Von einem Tag auf den anderen wurde ich aus meiner gewohnten Umgebung herausgerissen und hatte meine Kumpels verloren. Plötzlich war da niemand mehr, den ich kannte und mit dem ich spielen konnte. Meine Leute versuchten - und versuchen auch heute noch - ihr Bestes, aber es ist schon ziemlich lächerlich, wie sie sich die Zeit vertreiben.

 

Zum Beispiel werfen sie immerfort Stöckchen oder Bällchen, denen ich dann nachjagen soll. Sterbenslangweilig finde ich das. Ehrlich zeigen darf ich das jedoch nicht, denn dann reagieren sie irgendwie sauertöpfisch. Den Menschen scheint es wichtig zu sein, dass ihre Hunde Sachen zu ihnen zurückbringen, die sie vorher weit weggeworfen haben. Den Sinn dieser Aktion habe ich bis heute nicht verstanden. Ist doch irgendwie absurd, oder? Aber was tut man nicht alles um des lieben Friedens willen. Hin und wieder laufe ich also hinter dem blöden Bällchen her und lege es anschließend artig vor Herrchens oder Frauchens Füße.

 

Richtig rührend ist es, wie die Beiden sich darüber freuen. Na ja, wenn man sie so leicht glücklich machen kann – an mir soll es nicht liegen! Viel lieber würde ich mit ihnen über die Wiese rasen, mich mit ihnen balgen, sie liebkosend in die Flanken beißen. Doch sie sind so entsetzlich langsam und empfindlich. Ehrlich, ich habe sie noch nie richtig gebissen, nur so ein wenig gezwickt. Aber sie schreien sofort schrill auf und sind böse auf mich, tun gerade so, als hätte ich sie lebensgefährlich verletzt. Weicheier! Manchmal treffe ich auch Artgenossen. Mit denen darf ich dann eine Weile spielen.

 

Leider begegnen mir kaum noch robuste, natürliche Hunde, mit denen es so richtig Spaß macht herumzutoben. Entweder sie wissen gar nicht mehr, wie man ausgelassen spielt oder sie sind völlig desinteressiert an allem. Einige sind sogar bösartig und gemein. Gerade neulich hat mich einer ins Bein gezwickt, dass es geblutet hat. Oh, das hat gebrannt. „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“, sagt Pit immer. „Und so ein großer, kräftiger, wild aufgewachsener Hund wie ich schon gar nicht!“ denke ich dann stolz und beiße die Zähne zusammen. Sind wir doch mal ehrlich, mit diesen überzüchteten, verwachsenen und verwöhnten Schoßtierchen kann man doch nichts anfangen, oder? Ich mag sie jedenfalls nicht, finde sie totlangweilig.

 

Da war Schnauzi doch ein ganz anderes Kaliber. Mit dem konnte ich vom einen Ende der Bucht zum anderen rasen, Autos jagen, Rivalen vertreiben. Anschließend lagen wir dann hechelnd, aber glücklich nebeneinander. Ach, Schnauzi …. Wo bist Du jetzt? Was ist aus Dir geworden? Nein, ich darf nicht länger an ihn denken! Ganz traurig werde ich dann immer. Wo war ich stehen geblieben? Ah ja, die erste Zeit mit meinem neuen Rudel.

 

Von Anfang an gab es leckeres Fressen. Das hat mir das Eingewöhnen erheblich versüßt. Am besten schmeckt mir ja das, was die Beiden auch futtern. Mmh, Kartoffeln mit Öl und gedünstetem Hühnchen. Reis mit Apfel und Joghurt. Nudeln mit Gemüse. Aber das kriege ich nicht immer. Warum, weiß ich auch nicht. Wahrscheinlich fressen sie das Beste lieber selbst. Oft geben sie mir so trockenes Zeug, das aber gar nicht so schlecht ist. Schön knusprig und gut sättigend. Aber ich bekomme wahnsinnigen Durst davon. Manchmal liegt auch eine Portion rohes Fleisch in meinem Napf. Darauf bin ich eigentlich gar nicht so versessen, aber meine Leute glauben, mir damit etwas ganz besonders Gutes zu gönnen.

 

Lecker sind auch Scampi, die bereitet Pat aber nur sehr selten zu. Leider kriege ich davon nur einen klitzekleinen Teil ab. Wie gesagt, das Beste fressen sie lieber selbst. Nein, ich darf nicht ungerecht sein! Den rohen Fisch zum Beispiel, den durfte ich ganz alleine verdrücken, davon wollten sie nichts abhaben. Es war dieses Jahr in Norwegen - huch, war das kalt und nass dort, aber das ist eine andere Geschichte -. Mein Herrchen hatte einen riesigen Seelachs geangelt. Stolz kam er mit dem Prachtexemplar um die Ecke, aufgeregt von mir umschwänzelt. So einen betörenden Duft hatte ich lange nicht in der Nase. „Jetzt nur nicht gierig wirken, sondern lieb und dankbar!“ dachte ich. Gar nicht so leicht. Aus meiner Schnauze tropfte es, mein Magen knurrte begehrlich. Mit übermenschlichen, pardon, übertierischen Kräften gelang es mir, mich relativ ruhig vor Pit hinzusetzen, das Köpfchen kokett schief zu halten und ihn liebevoll-demütig anzuschauen.

 

Gerade überlegte ich noch weitere Strategien, als er mir seine Beute auch schon vor die Pfoten legte. Völlig überrascht über meinen schnellen Erfolg, zögerte ich einen Moment. Erst das aufmunternde „Nimm!“ machte mir klar: „Das ist wirklich alles für mich!“ Es war ein großer Fisch! Eine Herausforderung! Da musste vorher genau überlegt werden, wie man die Sache angeht. Ein paar Mal wendete ich also das Tier, beschnupperte es von allen Seiten, biss prüfend hinein. Dann war mir klar: An der Schwanzflosse muss man beginnen! Ach, war das köstlich. Fangfrisch, leicht salzig, Haut und Innereien zart wie Butter. Nur der Kopf und die Gräten waren ein wenig hart - für meine guten Zähne aber kein wirkliches Problem.

 

Nach einer halben Stunde legte ich mich satt und zufrieden unter einen Baum. „Komm hinein, wir müssen weiter, die Fähre ist da!“ riss mich Frauchen aus meinem Fresskoma. Nur mühsam kam ich die Treppe hoch. Plötzlich war mir sauschlecht. Bis auf die andere Seite des Fjords konnte ich meine Übelkeit noch unterdrücken, dann wollte der Fisch unbedingt wieder aus mir heraus. Drei große Haufen frisches Fischtartar spie ich aus. Abwechselnd lachend und mich tröstend beseitigten Pit und Pat mein Malheur. Auf einem Kehrblech beförderte mein Herrchen das Erbrochene in einen Plastikbeutel und warf diesen – bevor ich protestieren konnte - in die nächste Mülltonne. Schade, das hätte man doch noch fressen können! Der gute Fisch! Frauchen wischte unterdessen den Boden feucht durch.

 

Seitdem bekomme ich nur noch selten rohen Fisch und wenn, dann nur einen ganz kleinen. Das ist dann gerade mal ein Amuse Gueule für mich. Na ja, ich will nicht undankbar sein. Wie gesagt, übers Fressen kann ich mich nicht beschweren.

 

Dumm sind meine Leute ja nicht. Haben gleich gemerkt, wie wichtig mir Leckerbissen sind. Immer, wenn sie etwas von mir wollen, locken sie mich deshalb mit einer Miniköstlichkeit. Die tollsten Dinge haben sie mir so schon beigebracht. Am Anfang wusste ich nur, ich will dieses Leckerli. Dass die Beiden immer irgendwelche Befehle riefen, war mir schnurzegal. Ehrlich gesagt, ich begriff gar nicht, was sie von mir wollten. Irgendwann fiel dann der Groschen. Ich hatte mich gerade vor Frauchen hingesetzt, als sie „Sitz“ sagte und mir ein Stückchen Wurst gab. Aahaa, „Sitz“ bedeutet, mich auf die Hinterpfoten niederzulassen. Von da an war es meist recht einfach.

 

Es ist ein wenig wie eine Fremdsprache lernen. Manche Vokabeln verstehe ich sofort, bei anderen dauert es eine Weile. Der Grund für meine Begriffsstutzigkeit liegt dann aber meistens bei meinen Rudelmitgliedern. Sie erklären nämlich oft ziemlich dämlich. Wie soll ich denn zum Beispiel wissen, dass das Wort „Rolle“ in Verbindung mit einer drehenden Bewegung des Zeigefingers bedeutet, dass ich mich hinlegen und über meinen Rücken drehen soll. Von der Sinnhaftigkeit dieser Aktionen mal ganz abgesehen. (Aber Sie wissen ja: Wenn es meine Menschen glücklich macht ….)

 

Erst, nachdem mir Herrchen „Schlafen“ beigebracht hatte – ich liege auf der Seite und tue so, als wäre ich, im wahrsten Sinne des Wortes hunde-müde – und dann ein Leckerli über meinen Kopf führte, so dass ich mich automatisch zur anderen Seite rollen musste, verstand ich, was die Beiden die ganze Zeit mit „Rolle“ gemeint hatten. „Platz“, „Steh“, „Stopp“, „Komm“, „Hier her“ – heute alles kein Problem mehr! Wenn ich etwas geschafft habe, tätscheln mich Pit und Pat, nicken sich lächelnd zu und meinen stolz, ich sei ein ausgesprochen intelligentes Tier. Sag ich doch! Die wilden Hunde sind viel klüger und gesünder als diese überzüchteten Jammerlappen.

 

Ich verrate Ihnen jetzt etwas. Aber Sie dürfen nicht petzen! Manchmal stelle ich mich absichtlich dumm oder taub! Dann nämlich, wenn ich überhaupt keine Lust habe, den Befehlen zu folgen. Wenn ich den Verdacht hege, dass meine Leute mir nur den Spaß verderben wollen. Oder wie würden Sie das interpretieren, dass Frauchen immer dann „Komm“ ruft, wenn ich gerade dabei bin, herauszuschnüffeln, wer gestern hier an der Hausecke vorbeigekommen ist? Das sind doch essentielle Informationen für den Hundealltag! Geradezu lebenswichtig, überlebens-wichtig! Gibt es zum Beispiel Katzen, die mir mein Futter streitig machen könnten?

 

Läuft ein attraktiver Rüde als potentieller Vater meiner Kinder herum? Ist der Kläffer von nebenan wirklich aggressiv oder tut er nur so? Warum begreifen die Menschen nicht, dass diese Fakten von großer Bedeutung für mich sind, und dass es Zeit braucht, sie mit der Nase zu erfassen. Sie lesen doch auch stundenlang Zeitung oder glotzen in dieses Fenster, in dem ständig die Bilder wechseln. „Ich mach` mal die Tagesschau an, damit wir wissen, was in der Welt vorgeht!“ sagt Herrchen dann. Was in meiner Welt vorgeht, interessiert die Beiden offenbar nicht. Apropos, Bilderfenster – Fernsehen nennen sie es - ! Anfänglich bin ich noch darauf reingefallen, wenn dort Tiere erschienen.

 

Dachte, die seien real und habe laut gebellt, um sie aus unserer Hütte zu vertreiben. Sie gingen aber nicht weg. Anstatt mein todesmutiges Engagement mit einem Leckerchen zu belohnen, machten sich Pit und Pat nur über mich lustig und amüsierten sich köstlich. Lange bin ich der Sache aber nicht auf den Leim gegangen. Meine Spürnase sagte eindeutig: Da ist kein Hund oder Pferd. Heute drehe ich mich nur noch hochnäsig zur Seite, wenn Herrchen zum Fernseher zeigt und mich lockt: „Kara, schau mal, ein Schaf!“ Soll er doch naivere Hunde veräppeln und nicht meine Intelligenz beleidigen! Apropos Schaf – ich weiß, ich komme vom Hölzchen aufs Stöckchen -, aber das muss ich Ihnen einfach erzählen.

 

Schafe mag ich nämlich überhaupt nicht. Sie stinken, glotzen einen blöde an, als könnten sie kein Wässerchen trüben und sind dabei hinterhältig und gefährlich. Richtig weh können sie einem tun. Das erste Mal sah ich Schafe am Rhein. Sie standen unterhalb des Damms direkt an einem dünnen Drahtzaun und bildeten einen engen Kreis. Diese einfältigen Viecher stehen immer dicht beieinander, auch wenn die Wiese riesengroß und keine Gefahr in Sicht ist. Neugierig schnüffelte ich mich näher. Mit stoischem Blick warteten sie auf mich.

 

Gerade wollte ich an der Schnauze eines Tieres schnuppern – es ist ja immer interessant zu erfahren, was Andere so fressen – da blökte dieses gemeingefährliche Wesen mich laut an und versetzte mir einen Schlag auf die Nase, dass ich schmerzvoll aufjaulte. Oh, tat das weh! Schnell lief ich zu Herrchen und suchte bei ihm Schutz. Ich habe bis heute nicht verstanden, wie das Schaf es angestellt hat, mir so zuzusetzen, ohne sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Pit meinte, es hätte am Drahtzaun gelegen. Menschen sind wirklich dumm. Wie soll das möglich sein, so leicht wie der Draht ist?

 

Außerdem komme ich fast täglich an Umzäunungen vorbei und nie tut es weh. Aber manchmal ist mit Pit nicht zu reden. Er weiß dann einfach alles besser. So habe ich es aufgegeben, ihn belehren zu wollen und lasse ihm seinen Aberglauben von gefährlichen Drähten, die einem eins auf die Nase geben! Ha, ha, ha! „Mäuschen, lachst Du wieder?“ fragt mich Herrchen zärtlich und streichelt mir den Bauch. Jetzt nur nicht anmerken lassen, dass ich über ihn gelacht habe. „Guck mal, Pat! Kara lacht wieder!“ Verzückt schauen die Beiden mich an. Was sie daran nur so rührend finden? Sie machen es doch genauso: Sperren das Maul auf, wenn sie etwas lustig finden. Jetzt werde ich geknuddelt und liebkost.

 

Das volle Programm: Ohren zwirbeln, Kopf tätscheln, Nacken massieren, Hals kraulen, Pfoten schütteln, Rücken klopfen. Ach, tut das gut. Sind schon in Ordnung - diese komischen Beiden! Übrigens – im Vertrauen - ich hab´ sie mittlerweile ganz gut im Griff. Wenn ich zum Beispiel noch mehr Streicheleinheiten will, schlage ich neckisch mit der Pfote nach der liebkosenden Hand und zeige ein wenig meine Zähne. „Ja, lach´ Du nur!“ und schon werde ich weitergetätschelt. Es hat eine Weile gedauert, bis ich raushatte, wie Menschen ticken. Aber wenn man es einmal verstanden hat ….

 

Ein paar Sachen gibt es allerdings, da verstehen meine Rudelmitglieder überhaupt keinen Spaß. Null Toleranz! Kleinkariert und spießig würde ich ihre Reaktionen nennen! Zum Beispiel, werden sie furchtbar wütend, wenn ich bei anderen Wohnmobilen rumschnüffle. Warum, verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht. Was ist denn schon dabei, wenn ich mal einen Keks probiere, der dort auf dem Campingtisch liegt oder von dem Würstchen koste, das so verführerisch auf dem Grill brutzelt. Da liegen ja noch so viele andere daneben. Die Leute können bestimmt eines verschmerzen.

 

Außerdem muss ein Hund, der so viel in der Welt unterwegs ist wie ich, die Sitten fremder Länder studieren, also zum Beispiel auch in Erfahrung bringen, was Andere so futtern. Das sind doch interessante Aspekte, oder? Permanenter Streitpunkt ist außerdem mein Jagdinstinkt, genauer, wenn ich diesem im wahrsten Sinne des Wortes freien Lauf lasse. Ja, was denken die Beiden sich eigentlich? Soll ich den Hasen vorbeihoppeln lassen? Der versteht doch die Welt nicht mehr. Solange es Tiere gibt, werden die einen von den anderen gejagt und gefressen. Diese naiven Menschen wollen die Welt neu erfinden, das Paradies schon auf Erden schaffen. Womöglich verlangen sie irgendwann von mir, dass ich mit einem Möhrchen in der Schnauze dem Hasen freundlich entgegen komme und das Gemüse mit einem freundlichen „Wuff“ vor seinem Bau ablege. Aber da können sie lange warten!

 

Ommmmm! Ich muss ruhiger werden, darf mich nicht so rein steigern in meinen Zorn. Meinem empfindlichen Magen bekommt das nämlich gar nicht. Was das Jagen betrifft, haben wir momentan eine recht komfortable und nervensparende Übereinkunft getroffen: Befinde ich mich in Reichweite von Pat oder Pit, verzichte ich aufs Jagen und komme auf den Ruf „Hier her!“ brav zurück. Wenn ich aber weit genug weg bin - manchmal träumen meine Lieben nämlich und kriegen es gar nicht mit, dass ich mich entfernt habe – darf ich jagen. Komischerweise gibt es anschließend auch keine Strafe. „Sie bringt das jetzt nicht mehr in Zusammenhang mit dem Jagen, das ist schon zu lange her!“ meint Pat. Na ja, mir soll´s recht sein. Obwohl - für wie blöd halten mich die Beiden eigentlich?

 

Trotz allem – ich verstehe, warum sie in diesem Punkt so unnachgiebig sind. In Deutschland gibt es strenge Gesetze, da könnte mich ein, pardon, schießgeiler Jäger abknallen und er würde noch Recht bekommen. Oder ich könnte im Eifer der Verfolgungsjagd auf eine Straße rennen und überfahren werden. Es ist ja nicht überall so wenig Verkehr wie hier am Strand. Ach ja, das freie Leben in meiner Bucht hatte schon Vorteile. Keiner verbot mir dort das Jagen und Toben und Schnüffeln. Allerdings, ich war oft hungrig und durstig und fror in der Nacht. Ich litt an Hustenanfällen und überall juckte es. Heute geht es mir gut, ich bin kräftig und mein Fell glänzt. Jeder, der mich hier sieht, ruft entzückt aus: „Bello!“ Stolz tätschelt mich Pat dann und meint: „Unsere griechische Schönheit!“

 

Nee, meine neuen Kumpel sind schon in Ordnung! Manchmal machen sie ja auch ganz tolle Sachen mit mir. Im Sommer, zum Beispiel, da wanderten sie mit mir zu einem hohen Bergplateau. Mensch, war das schön! Wie eine Gemse sprang ich die Felsen hoch. Da konnten Pit und Pat natürlich nicht mithalten. Keuchend kamen sie hinterher und ich konnte meine Freiheit übermütig auskosten. Meist war ich so weit vorne, dass ich mich ungeniert von anderen Wanderern bewundern und streicheln lassen konnte. Manchmal gaben die mir auch – pst – etwas von ihrem Leberwurstbrot ab.

 

Ich schnupperte hier und dort, balancierte absolut schwindelfrei an Klippen entlang oder sprang über Felsspalten. Nur einmal bekam ich es mit der Angst. Eben noch tollte ich ausgelassen in dem schwarzen Bächlein und auf den feuchten Wiesen, als ich plötzlich in einen Graben rutschte. Irgendetwas zog mich nach unten. Es war, als ob schwere Gewichte an mir hingen. Panisch krallte ich mich in den Grasbüscheln vor mir fest und robbte zentimeterweise nach oben. Von überall kamen ermutigende Zurufe und – als ich mich endlich befreit hatte – bewundernder Beifall. Streicheln mochte mich aber keiner, denn mein Fell war schwarzschlammig und roch faulig. So ist das mit den Menschen – eben jubeln sie einem noch zu und im nächsten Moment machen sie eine abwehrende Geste und wollen nichts mehr mit einem zu tun haben. Nur wegen des bisschen Drecks!

 

Unangenehme Folge dieses Abenteuers war die gründliche Reinigung meines Felles unter der Dusche. Scheußlich! Natürlich würde ich nie meinen Widerwillen zeigen, schließlich bin ich kein Weichei. Aber, unter uns, Wasser kann man trinken, aber doch nicht minutenlang auf das Fell prasseln lassen. Noch so eine unverständliche Vorliebe der Menschen. Auch wenn die Reinigungsprozedur regelmäßig mit zusätzlichen Streicheleinheiten verbunden ist und mein Fell anschließend betörend duftet und an zarten Kükenflaum erinnert, könnte ich gern darauf verzichten. Überhaupt verstehe ich die Begeisterung meiner Rudelmitglieder für Wasser nicht. Warum müssen sie, kaum dass sie eine Pfütze sehen, schon darin herum plantschen? Nach ein paar Minuten Schwimmen, Springen oder Treibenlassen wollen sie ihre Freude mit mir teilen. Lachend patschen sie mit den Händen auf die Wasseroberfläche und locken: „Komm, Kara, das macht Spaß!“

 

Es ist stets der gleiche Ablauf. Nö, nö, da buddele ich doch lieber ein bisschen im trockenen Sand. Ein paar Mal blieb mir das Bad im Meer allerdings nicht erspart. Pit nahm mich unter den Arm und ließ mich erst wieder los, nachdem er mit mir eingetaucht war. Ach, was freuten sich die Beiden über meine Schwimmkünste! Dabei ist das doch kinderleicht, das kann doch jeder. Es gibt aber auch Wasser, das ich mag. Wenn es gurgelnd und sprudelnd daherkommt, wenn es schnell fließt und lustig über Steine hüpft, dann kann ich mich dafür begeistern. Ausgelassen jage ich Luftblasen oder treibenden Blättern hinterher oder tauche nach dem weichem Moos an der Uferböschung.

 

Überhaupt bin ich mehr ein Naturgeschöpf. Wald, Wiese, Strand, Felsen – dort fühle ich mich wohl. Pit und Pat geht es ähnlich, aber hin und wieder zieht es sie in die Stadt. Sightseeing oder Shopping nennen sie das dann. Es könnte auch für mich durchaus interessant sein, wenn sie mich bloß ließen. Überall riecht es nämlich köstlich nach Futter. Kinder halten Eistüten und Männer dicke Bratwürste in der Hand. Bestimmt könnte ich den einen oder anderen davon überzeugen, mir etwas davon abzugeben. Unternehme ich allerdings diesbezüglich den kleinsten Versuch, wird Pat richtig böse. „Nein“, sagt sie streng und zerrt mich unsanft weg. Dabei war meine Schnauze schon ganz dicht an dem Wurstbrötchen dran.

 

Aufregend sind auch die vielen Tauben in der Stadt. Hei, macht das Spaß, denen durch die Fußgängerzone nachzujagen. Leider komme ich an der Leine nicht weit und so fliegt wieder mal ein fabelhaftes Abendessen davon. Einmal erwischte ich ein Amselküken. Lecker! Bloß die Federn kitzelten ein wenig und blieben im Maul kleben. Nie werde ich den Blick meiner Leute vergessen: Entsetzen stand in ihren Gesichtern, so als stünden sie einer hochgefährlichen Bestie gegenüber. Ganz schön scheinheilig: Selbst vertilgen sie gern mal ein gegrilltes Hähnchen oder ein saftiges Putensteak, mir gönnen sie aber keinen Leckerbissen. Mein schmackhaftes Amselkind war wenigstens glücklich bis zu seinem schnellen Tod, was man von den traurigen Hähnchen in der Fabrik nicht sagen kann. Aber nicht nur wegen der vielen Verlockungen sind Städte die reinste Tortur für mich. Mich ärgern auch der Lärm und die vielen Autos. Man kann ja nun wirklich nicht von mir behaupten, ich sei ein Hasenfuß, aber wenn ein riesiger LKW dicht an mir vorbeidonnert, bekomme ich doch ein wenig Angst. Gut, dass mich meine Rudelmitglieder beschützen. Beim Jagen sind sie absolute Nieten, aber hier kennen sie sich gut aus und ich habe großes Vertrauen in sie.

 

Ganz anders im Biergarten. Menschen gehen gern spazieren und lieben es, im Freien zu rasten. Dann essen sie eine Kleinigkeit und trinken Bier oder so saures Zeug. Äppelwoi, sagen sie, glaube ich, dazu. Was sie leider völlig unterschätzen, ist die Fresskonkurrenz. Überall lauern andere Menschen und Hunde und warten nur auf eine günstige Gelegenheit, um die Rippchen oder Bratwürste von unseren Tellern zu stibitzen. Scheinbar harmlos sitzen die einen am Nebentisch und dösen, die anderen unter der Bank, um dann irgendwann blitzschnell zuzuschlagen. Man kennt das doch! Aber Pit und Pat sind völlig naiv. Also, muss ich die Sache in die Hand bzw. die Pfoten nehmen. Sobald einer wagt, sich unserem Tisch zu nähern, greife ich an. Bisher hatte ich immer Erfolg. Ein bisschen Bellen und Zähne fletschen reichen meistens schon aus, um die potentiellen Diebe zu vertreiben. Jetzt denken sie sicher, dass meine Leute unendlich froh darüber sind, solch einen beherzten Verteidiger im Rudel zu haben. Dass sie mich für mein Engagement loben, mich mit Leckerchen belohnen. Das Gegenteil ist der Fall: Schelte und Hausarrest sind der Lohn. Jetzt fang ich schon wieder an zu heulen über so viel Ungerechtigkeit.

 

„Was ist denn los, Mäuschen? Warum schaust Du denn so traurig?“ Besorgt schaut mich Pit an. „Sie wird jeden Tag depressiver“, sagt er zu Pat gewandt. „Ich glaube, ihr bekommt das viele Rumreisen nicht.“ Dann gehen sie ins Wohnmobil und reden lange miteinander. Ein bisschen stimmt es schon. Wenn wir fast täglich woanders sind, also nie länger als zwei Tage an einem Ort bleiben, werde ich unzufrieden und nervös. Als Hund braucht man eben eine gewisse Regelmäßigkeit. Gemüt, Kreislauf, Stuhlgang – alles gerät durcheinander, wenn man immer wieder mit neuen Leuten und Schnauzen, täglich mit neuen Düften und dem ständigen Schaukeln des Fahrzeugs konfrontiert wird. Am nächsten Morgen sind die Beiden ganz, ganz lieb zu mir, schauen mich aber irgendwie immer so traurig an. Egal, die werden, wie ich auch, hin und wieder melancholisch sein.

 

Voller Vorfreude mache ich heute meinen Morgenspaziergang, denn wir wollen anschließend Verwandte von Peter besuchen: Iris und Axel, die mag ich gern. Kaum sind wir gegen Mittag dort angekommen, laufe ich in freudiger Erwartung in die Küche. Überrascht bleibe ich stehen. Dort sitzt nämlich ein Fremder, der aber sehr sympathisch riecht. Sofort geht er auf mich zu, streichelt mich und nickt Pat zu: „Die ist aber schön!“ Mein Frauchen lächelt wehmütig. Warum sie wohl so feuchte Augen hat? Thomas, so heißt der nette Typ, tätschelt mich und schaut mich liebevoll an.

 

Später spielt und übt er mit mir. Ein richtig guter Kumpel ist das. Stutzig werde ich allerdings, als ich in Axels Auto springen soll. Wo ist Herrchen? Wo ist Frauchen? Erst jetzt fällt mir auf, dass sie weg sind. Auch unser Wohnmobil steht nicht mehr im Hof. Bevor ich richtig drüber nachdenken kann, lockt mich Thomas mit einem Superleckerli. Es folgen herrliche Tage im Garten. Endlich kann ich mich mal ein paar Tage von der ständigen Fahrerei erholen. Thomas Mutter verwöhnt mich mit sehr gutem Fressen. Draußen gibt es einen kleinen Teich mit Fischen, die aber viel zu schnell für mich sind. Große Tauben sitzen auf den Bäumen und gurren höhnisch zu mir hinunter. Mein lautes Bellen scheint sie überhaupt nicht zu beeindrucken.

 

Wie in der Sommerfrische ist es hier. Manchmal denke ich an Pit und Pat. Wann sie mich wohl wieder abholen? Endlich, nach einer Woche ist es soweit. Gerührt tätscheln mich die Beiden, als ich mich überschwänglich an sie drücke. Sie scheinen sich riesig zu freuen, mich wiederzusehen und Frauchen hat schon wieder feuchte Augen. Was ist bloß los mit ihr? Zugegeben, auch ich bin froh, wieder bei ihnen zu sein. Natürlich zeige ich das nur dossiert, man soll die Menschen ja nicht zu sehr verwöhnen.

 

Irgendwie hat uns Dreien die Pause gutgetan. Seitdem verstehen wir uns super. Jeder hat wohl gemerkt, was er am anderen hat. Nur manchmal trauere ich noch meinem alten Leben in der griechischen Bucht nach. Träume von Freiheit und Abenteuer. Erst gestern begegnete mir ein freilebender - die Menschen sagen immer „wilder“ - Hund. Wahrscheinlich schnitt er ein bisschen auf, um mir zu imponieren. Er schwärmte von erfolgreichen Mäusejagden, leidenschaftlichem Liebesleben und ausge-lassenen Spielen mit Kumpels. Ein bisschen neidisch war ich schon. Gedankenverloren schaue ich zu Pit und Pat hoch.

 

Ja, ich habe diese beiden komischen Menschen lieb gewonnen, fühle mich in meinem kleinen Rudel geborgen. Gerade kommt Pit mit meinem Napf aus dem Fahrzeug, hochgefüllt mit Nudeln und Thunfisch. Das schmeckt mir immer tierisch gut und ist eines meiner Lieblingsgerichte. Mit tropfendem Maul schwänzle ich hinter ihm her. Jetzt wird erst mal gefressen, abhauen kann ich ja immer noch….

 

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