Lappland-Klischees

Auf schnurgerader Straße geht es weiter. Immer wieder leuchten gerodete Flächen auf, über die sich ein Teppich aus lila Blumen ausgebreitet hat. Große Holz- und Sägebetriebe verdeutlichen die Wichtigkeit des Industriezweiges Holzwirtschaft. Maschinell gepflanzter und maschinell „geernteter“ Nutzwald. Ihm wird nicht gestattet, über Hunderte von Jahren zu wachsen, mächtig und stattlich zu werden. Selten haben wir auf unserer Reise alte, imposante Bäume gesehen. Die dünnstämmigen „Streichholzbäume“ aber flüstern keine alten Sagen, atmen nicht Beständigkeit und Verlässlichkeit. Sie taugen nicht als Zuflucht, geben keine Geborgenheit. 


Schnell zieht es uns weiter hinein in die Wildnis. 120 km lang ist die Stichstraße nach Kvikkjokk. Dort kann man Kanufahren, angeln oder auf der berühmten Bergroute „Kungsleden“ wandern. Wasser wohin man schaut auch hier: Fließend, stehend, sumpfig. In der Ferne schneebeflecktes Gebirge. Auf halbem Weg finden wir ein Traumplätzchen an einem See. Peter angelt und ich wage ein Bad. Wenige, von heftigen Atemstößen und kurzen Schreien begleitete Schwimmbewegungen. „Huch, ist das kalt! Doch kälter als ich anfänglich dachte“, rufe ich Peter mit spitzem Mund zu. Am Lagerfeuer wärme ich mich wieder auf und fühle mich herrlich lebendig. Schließlich zappelt auch noch ein stattlicher Hecht an der Angel. Ich ertappe mich bei dem Gedanken: Soviel Glück an einem Tag - wo ist der Haken?“ Dem Glück gegenüber sind wir Menschen ja so misstrauisch! Lange sitzen wir in dieser Nacht draußen. „Eine richtig laue Sommernacht. Hättest Du das in Lappland verwartet?“, fragt Peter. „Nö, und das auch noch gänzlich ohne Mücken!“

 

Dass die kleinen Tierchen auch ganz anders können, beweisen sie uns am nächsten Abend. Nach einer schönen Fahrt mit herrlichen Ausblicken auf die Berge, entdecken wir wieder einen idyllischen Übernachtungsplatz. „Ich hole schon mal die Campingstühle raus“, ruft Peter mir zu, während ich Kara gerade für einen Spaziergang anleine. Da überfallen Sie uns. „So umschwärmt war ich ja schon lange nicht mehr“, werde ich später scherzen. Momentan bin ich aber damit beschäftigt, die Plagegeister heftig mit den Armen wedelnd abzuwehren. Kara reagiert völlig panisch, schlägt mit den Pfoten, kratzt und schüttelt sich unentwegt. Schließlich flüchtet sie mit einem Satz ins Fahrzeug und bringt die gesamte Mückenarmee in die gute Stube. Dort erhebt sich dann ein Schwarm Blutsauger aus dem Hundefell und lässt sich an der Windschutzscheibe nieder. Der Killerinstinkt in mir erwacht. Die chemische Keule muss her! Eiskalte Tötungsstrategie: Hund nach hinten befördern, Fahrerhaus kräftig mit Gift einnebeln, Zwischentür schließen. Die gleiche Prozedur jeweils im Schlaf- und Wohnbereich. Die Strategie wirkt erstaunlich gut. Mit nur 4 Mückenstichen erwache ich am nächsten Morgen. Aus Sicht der Plagegeister scheint Peter wenig lecker zu sein, denn er bleibt völlig verschont.

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